ZEIT(LOSE) ZEICHEN

Erwin K. Bauer

Designer, Kurator, Dozent an der Universität für angewandte Kunst Wien
www.erwinbauer.com

"Als Otto Neurath der Arbeiterklasse den oft verwehrten Zugang zu Wissen verschaffte, hatte er ein wesentliches Ziel: die Gleichstellung durch Bildung, vermittelt über neue, attraktive Medien und leicht verständliches Informationsdesign. Information sollte nicht passiv konsumiert, sondern partizipativ erfahren, neugierig erforscht und aktiv aufgenommen werden. Auch wenn man glauben könnte, dass die Demokratisierung von Wissen heute durch das Internet erfüllt sei, wird die Rolle der DesignerInnen als InformationsarchitektInnen wichtiger denn je. Denn mit der Fülle an Information steigt auch die Orientierungslosigkeit. Kriterien für ihre Glaubhaftigkeit festzulegen und Relevantes auszuwählen, fällt schwer. ... "

 

Christopher Burke

Dr.phil., Typograf, Typeface Designer und Design Historiker; Wissenschafter am Institut für Typografie & Grafi sche Kommunikation an der Universität Reading (UK)
www.hiberniatype.com

"Otto Neurath war kein Künstler. Als Entwickler der „Wiener Methode der Bildstatistik“, die später Isotype heißen sollte, war er jedoch (abgesehen von seinen anderen Begabungen) eine Art Grafiker. Das Ungenügen seiner grafischen Fertigkeiten brachte ihn dazu, Marie Reidemeister als verantwortliche „Transformatorin“ (Designerin) und Gerd Arntz als Chefgrafiker zu engagieren. Arntz, der Gegenstände mithilfe von prägnanten Schwarz-Weiß-Kontrasten darstellte, war der Hauptdesigner der Isotype-Piktogramme. Obwohl Neurath eine mögliche Verwendung der Isotype-Piktogramme für öffentliche Beschilderungen andeutete, zögerte er doch, sie außerhalb eines didaktischen Kontexts einzusetzen. .... "

 

Nikolaus Gansterer

Künstler, Performer, artistic Researcher an der Jan van Eyck Academie, Maastricht und Lektor an der Universität für angewandte Kunst Wien
www.gansterer.org

Piktogramme sind höchst ambivalente Kommunikatoren: neben ihrem intendierten Informationsgehalt fungieren sie parallel immer auch als Ordnungssysteme und Machtinstrumente. Nikolaus Gansterer beschäftigt sich in seiner vielschichtigen Rauminstallation kritisch mit der Mehrdeutigkeit von Zeichen. Entgegen der Logik der Wiener Methode zur unmittelbaren Lesbarkeit der Bild-Zeichen verdichtet Gansterer das Vokabular zeitgenössischer Infografik zu einem komplexes Referenzsystem aus offenen Denk-Figuren.

 

Sophie Hochhäusl

Dissertantin an der Cornell University;
Stipendiatin an der Columbia University
www.hochhausl.com

"Am 12. August 1933, als das Schiff langsam in den Hafen von Marseilles einlief, wurden Unstimmigkeiten deutlich: Obwohl der vierte Internationale Kongress Moderner Architektur (CIAM IV) sein Ziel 33 Städte vergleichend zu kartografieren erreicht hatte, waren sich die Delegierten uneinig, wie sie mit den Resultaten verfahren sollten. Das eine Lager sprach sich für weitere Studien aus, um die städtischen Untersuchungen wissenschaftlich zu untermauern. Das andere Lager, angeführt von CIAMs Mächtigen Le Corbusier, Sigfried Giedion und László Moholy-Nagy, drängte auf umgehende Entwurfsvorschläge. ..."

 

Kollektiv migrantas

Florencia Young / Marula Di Como / Irma Leinauer
Mitglieder des Kollektivs migrantas, Berlin
www.migrantas.org

"Das Berliner Künstlerinnenkollektiv migrantas schafft mit den Werkzeugen der Kunst, des Designs und der Sozialwissenschaften vielbeachtete Bilder für das Selbstverständnis von Migrantinnen und macht sie im öffentlichen Raum zahlreicher Städte des In- und Auslands sichtbar. Die Piktogramme von migrantas sind eine Synthese. Jedes einzelne erzählt eine Geschichte – dahinter stehen hunderte von Migrantinnen, die ihre Erfahrungen in ihrem neuen Land in Zeichnungen festgehalten haben. ..."

 

Elisabeth Nemeth

Ao. Univ.Prof. Dr., Dekanin der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien
www.elisabethnemeth.com

"Die Überzeugung, dass Demokratie nur funktionieren kann, wenn die Menschen beurteilen können, worüber sie zu entscheiden aufgerufen sind, hat Otto Neuraths intellektuellen und politischen Lebensweg geprägt. Eine demokratische Gesellschaft brauch teine „Demokratisierung der staatlichen Einsicht“, d.h. sie braucht Einsicht der Bürgerinnen und Bürger in soziale und politische Zusammenhänge. Diese gewinnen sie aber nicht dadurch, dass schulische oder wissenschaftliche Autoritäten ihnen Erkenntnisse gleichsam von oben herab beibringen. Denn erstens hat die moderne Wissenschaft gezeigt, dass auch unser bestbestätigtes Wissen nur vorläufigen Charakter hat, und zweitens kommt es vor allem auf die Aktivierung des Urteilsvermögens an. ..."

 

open3.at

Carl-Markus Piswanger / Robert Harm
Mitbegründer des Netzwerks open3.at, Open Government Data Spezialisten in Wien
www.open3.at

"Open Data, im Speziellen Open Government Data, bietet die Möglichkeit, offen verfügbare Daten einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Unter den bekanntesten Anwendungen finden sich statistische Aufbereitungen mit Querverknüpfungen unterschiedlicher Datensätze, wie sie zum Beispiel beim neuen Berufsbild des Datenjournalismus zu finden sind. Integraler Bestandteil ist die grafische Aufbereitung des Datenmaterials, um die oftmals „sperrige“ Statistik für interessierte RezipientInnen leichter nachvollziehbar zu machen. ..."

 

Philippe Rekacewicz

Journalist, Kartograph u.a. für Le Monde diplomatique, Künstler
http://blog.mondediplo.net/-Visions-cartographiques-

"Das 20. Jahrhundert erlebte 140 kriegerische Auseinandersetzungen: 25 vor 1939 und 115 seit 1945. Davon waren zwei global, fünfzehn zählten mehr als 1 Million Tote. Die Konflikte stiegen in jenem Maß an, wie immer teurere und ausgeklügeltere Waffen hergestellt wurden. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg setzte die Massenproduktion ein: Flugzeuge, U-Boote und zum ersten mal auch chemische Waffen, die tausende zivile Opfer forderten. Die Ausrüstung wurde technisch raffinierter: Radar, Düsenflugzeuge, Panzerabwehrraketen, schwere Maschinengewehre, Flammenwerfer, Brandbomben, Lenkflugkörper, Infrarottechnik, elektromagentische Bewegungsmelder, ... Die zwei Atombombenabwürfe auf Japan katapultierten die Welt in das nukleare Zeitalter und die „Balance des Terrors“. ..."

 

Günther Sandner

Dr.phil., Politikwissenschaftler, politischer Erwachsenenbildner und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Wiener Kreis (Universität Wien). Arbeit derzeit an einer Biographie Otto Neuraths (Zsolnay 2013)
http://homepage.univie.ac.at/guenther.sandner

"Im Mai 1940 flohen Otto und Marie Neurath aus den Niederlanden nach England. Nach einer rund achtmonatigen Internierung als enemy aliens auf der Isle of Man begannen sie in Oxford ein neues Leben. Dabei spielte vor allem das im Wien der 1920er Jahre entstandene Projekt einer internationalen Bildsprache eine zentrale Rolle. Schon im April 1941 kontaktierte der linke Filmemacher Paul Rotha, der sich vor allem als Dokumentarfilmer einen Namen gemacht hatte, Otto Neurath. Der Regisseur und Produzent war von der bildpädagogischen Arbeit des österreichischen Emigranten fasziniert. ..."

 

Peter Weibel

Vorstand des ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe
www.peter-weibel.at

"Es wird behauptet, am Anfang war das Wort. Aber diesen Anfang umgibt ein Mysterium, denn es ist unklar, ob damit das gesprochene oder geschriebene Wort gemeint ist, d.h. die Sequenzierung des unendlichen Lautstroms in eine Folge von visuellen Zeichen fÜr Vokale und Konsonanten. Mit dem Vokal-Alphabet begann jene Kette von Medienrevolutionen, die uns von Runen und Piktogrammen Über musikalische, mathematische Notationen bis zu den Symbolen auf den grafischen Benutzeroberflächen von ComputermenÜs fÜhrte. Die symbolische Ordnung aller Schrift- und Bildzeichen wurde offensichtlich deswegen wichtig, weil wir entdeckten, dass sie die soziale Ordnung nicht nur spiegelte, sondern auch mitkonstruierte. ..."